Kein Grund zum Schämen: Wenn Erwachsene nicht Lesen und Schreiben können
Angermünde. Bei Julia Weis war es Legasthenie, die, als sie noch ein Kind war, verhinderte, dass sie gut lesen und schreiben lernte. Legasthenie ist eine Lese-Rechtschreibstörung. Den Betroffenen ist das oft gar nicht klar und auch bei Julia Weis hat es gedauert, bis sie sich eingestand, dass das Problem aus der Schulzeit immer noch da ist.
Dass genau das der richtige Weg ist, möchte die gebürtige Münchnerin auch anderen Betroffenen vermitteln, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht oder nur schlecht lesen können. Sie arbeitet beim ALFA-Mobil des Bundesverbandes Alphabetisierung und Grundbildung e.V. (BVAG), das dieser Tage auch durch unsere Region getourt ist, um Aufklärungsarbeit zu leisten. Dabei geht es um nichts weniger, als das Thema Lesen und Schreiben lernen im Erwachsenenalter, denn in der Uckermark gibt es mehr als 10 000 Erwachsene, die nicht lesen und schreiben können. Nicht alle Betroffenen geben das zu. Viele schaffen es jahrzehntelang, sich so durchzumogeln, dass niemand merkt, dass sie schlecht oder gar nicht lesen und schreiben können. Weil sie sich deswegen schämen. Das hat das Team des ALFA-Mobils im Blick.
Idealerweise sollte der Betroffene dann den Weg in eine der Einrichtungen finden, in denen auch in der Uckermark Erwachsenen das Lesen und Schreiben beigebracht werden kann, wie zum Beispiel die Volkshochschulen. Bis erwachsene Nicht-Leser dort sitzen ist es ein langer Weg, wie auch Julia Weis aus Erfahrung weiß.
Die mittlerweile in Berlin lebende junge Frau holt nach, was sie in Sachen Lesen und Schreiben versäumt hat, soweit das bei Legasthenie möglich ist. Auch die Berlinerin hatte ihre Tricks, um nicht aufzufallen.
Schwierig wird es bei Ämterbesuchen und dem Ausfüllen von Formularen, die ja manchmal so kompliziert sind, dass sogar jemand, der lesen kann, Probleme hat, zu verstehen, was da wohl als Antwort hinmuss. Aber das ist ein anderes Thema. Das Team des ALFA-Mobils, das bundesweit unterwegs ist, erlebt es immer wieder, dass Betroffene, die einen langen Leidensweg hinter sich haben, zum Mobil kommen und sich helfen lassen wollen. Gerade erst in Templin, als man einem Mobil-Besucher Flyer geben wollte und zur Antwort bekam: „Ich kann die gar nicht lesen.“ Wie sich das ändern könnte, weiß niemand besser als das ALFA-Mobil-Team. Das Projekt wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.